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Photo by Caroline Hernandez on Unsplash

Staatschef Justin Trudeau, Popstar Harry Styles oder Tennis-Star Andy Murray – immer mehr Männer bekennen sich zum Feminismus. Und auch Papas wie z.B. Nilz Bokelberg sind immer öfter mit von der Partie. Wie kommt es dazu? Und was macht das mit unseren Kindern?

Zum 16. Geburtstag seiner Tochter bemerkt Nilz Bokelberg den Feminist in sich. Er schreibt einen Text in der ZeitOnline und bekommt ziemlich viel Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit, die sich so manche Frau, die sich zum Thema äußert, wohl wünschen würde. Nilz Text ist trotzdem wichtig, aber er ist erstmal nur eins: ein Lippenbekenntnis. Ein guter Anfang.

Wie aber können wir unseren Kindern feministische Werte beibringen? Und welchen Einfluss haben unsere Lebensmodelle und die Umwelt? Ich begebe mich als Mutter auf Spurensuche und frage – Väter. Denn im Idealfall sind die ja unsere Partner in Crime in der Erziehung.

Was machen feministische Väter anders?  

Nils Pickert
Schreibt regelmäßig über Feminismus, Sexismus und Gleichberechtigung: Nils Pickert

Und hier kommt der zweite Nils ins Spiel. Nils Pickert ist freier Autor und ein Vater, der sich schon seit vielen Jahren als Feminist bezeichnet. Immer wieder berichtet er in seiner Arbeit aus dem turbulenten Familienleben mit mittlerweile vier Kindern. Als Papa zieht er auch mal einen Rock an, wenn er damit seinen Sohn unterstützen kann. Und als Journalist schreibt er unter anderem regelmäßig für pinkstinks.de über Gleichberechtigung und Co. Wenn Nils keine praktischen Tipps hat, wer dann?
Nils begleitet gerade das vierte Kind in der Eingewöhnung im Kindergarten. Und die Elternzeit wird im Hause Pickert geteilt. Und so kommt es, dass ich von ihm mitten in der Nacht Antworten gemailt bekomme. Denn dann schlafen endlich mal alle und Nils hat Zeit.

Ist es wichtig, dass sich Mama und Papa die Arbeit teilen, frage ich „Für mich ist das selbstverständlich“ erklärt Nils.  „Meine Erfahrung ist allerdings, dass Mama oft arbeiten geht UND den Haushalt macht. Selbst bei Paaren, die mit einem hohen Anspruch an Gleichberechtigung in eine Beziehung gehen, gibt es mit dem ersten Kind einen Backlash in Geschlechterstereotype und Rollenzwänge.“

Papa kümmert sich ums Geld verdienen und Mama macht den ganzen Rest.

Das gilt noch immer für wahnsinnig viele Familien. Bei uns in der süddeutschen Kleinstadt kann man das ganz leicht vor dem Kindergarten beobachten. Morgens hetzen die Väter mit ihren Kindern zur Tür um dann weiter zur Arbeit zu fahren. Zur Abholzeit, die hier schon um halb drei endet, sind Papas wiederum Mangelware. Gleiche Arbeitsteilung, vielleicht sogar zwei mal Teilzeit wie bei uns zuhause – oder gar ganz andere Modelle gibt es so gut wie gar nicht.
Und wenn man sich umhört, dann stand das auch nie zur Debatte. Der Mann verdient schließlich mehr, also passt das schon so. Und die Frau teilt sich auf zwischen Arbeit, Kinderbetreuung und Haushalt.

Nun kann man einwenden, dass die baden-württembergische Kleinstadt nicht das Maß aller Dinge ist und es am Prenzlauer Berg wahrscheinlich ganz anders aussieht. Aber Prenzlauer Berg ist halt auch nicht überall. Sähen die Betreuungsmöglichkeiten hier anders aus, wer weiß, vielleicht gäbe es doch mehr Väter nachmittags auf den Spielplätzen? 

Und immer wieder diese Vereinbarkeit

PapaDoc
PapaDoc alias Thomas bloggt mit seinen Kollegen von ichbindeinvater.com gemeinsam über dieses “Vatersein”.

Für bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie sprechen sich die drei Blogger von ichbindeinvater.de aus. Seit drei Jahren mischen sie die Elternblogger-Szene mit launigen Berichten aus ihren Familien auf und mit ihrem Podcast sind die drei Kölner jüngst auf Platz 2 der iTunes Charts in der Kategorie Familie und Erziehung durchgestartet. Also klopfe ich hier auch mal an.

Thomas Guntermann alias PapaDoc bezeichnet sich selber eher als “Pro Frauen” und weniger als Feminist. Trotzdem findet er, dass feministische Erziehung dort beginnt, wo Familie und Beruf unter einen Hut gebracht werden müssen. „Feministisch zu denken, muss selbstverständlich sein“ erzählt er. Und „nur wenn wir so handeln, können wir auch glaubhaft über aktive Vaterschaft oder Familienarbeitszeit sprechen. Die kann nur funktionieren, wenn wir berufliche Chancengerechtigkeit haben.“

Aktive Vaterschaft beschreibt die Bundeszentrale für politische Bildung  übrigens als eine Vaterschaft, die sich stark für die Kinder engagiert.

Der aktive Vater sieht sich selber nicht mehr nur als Ernährer, sondern auch als Erzieher seiner Kinder.

Das geht aber nur, wenn Mann und Frau auch dieselbe Vorstellung ihrer Elternschaft haben. Und auch die äußeren Bedingungen müssen stimmen. Laut einer Umfrage des statistischen Bundesamtes wünschen sich 77 Prozent der Väter eine Reduktion der Arbeitszeit. Das ist aber schwierig, wenn der Hauptteil der familiären Finanzen immer noch auf den Schultern der Männer lastet, unter anderem weil ihre Frauen einfach schlechter bezahlt werden.

Nilz Bokelberg sagt dazu in seinem ZeitOnline Text: “Wenn wir nicht bald anfangen, dafür einzustehen, dass unsere Töchter und Schwestern, Freundinnen und Ehefrauen genauso viele Chancen und genauso viele Gehaltserhöhungen bekommen wie wir, wird in diesem Land nie Gerechtigkeit herrschen.

Und es sind Sätze wie dieser, die Thomas und seinen Bloggerkollegen aus dem Herzen sprechen. Denn durch ihre Arbeit in der Elternbloggerszene, durch die Zusammenarbeit mit dem Familienministerium NRW und durch ganz viele Diskussionen, sei ihnen bewusst geworden, dass diese Dinge einfach zusammen gehören.

So lange die Frauen weniger verdienen, kann man eben auch nicht über aktive Vaterschaft sprechen.

Thomas, Thomas und Janni – die drei ichbindeinvater.de-Blogger –  arbeiten alle in derselben (eigenen) Agentur. Ihr Arbeitsmodell nennen sie die „durchlöcherte und kinderfreundliche Vollzeit“. Vor allem durch flexible Arbeitszeiten haben sie die Möglichkeit zuhause zu sein. Beispielsweise wenn Mama arbeitet oder wenn es Geburtstage, Arzttermine oder Ähnliches abzudecken gilt.  
Thomas erklärt aber auch, dass in all ihren Familien eben doch die Männer mehr arbeiten und die Frauen Teilzeit machen oder freiberuflich tätig sind. Da seien sie wohl auch eher Traditionalisten. “Wir alle haben uns aber individuell dafür entschieden.” Die Wahlfreiheit überhaupt zu haben, dass allein macht eben den Unterschied. Welcher Weg dann der Richtige ist, das muss jede Familie für sich selbst entscheiden. 

Dasselbe gilt auch für die Arbeit zuhause. Nils Pickert betont, dass nicht nur die Verteilung, sondern auch die Gewichtung der einzelnen Arbeiten eine Rolle spielt. „Eine Hausfrau kann genauso viel oder wenig selbstbestimmt und emanzipiert sein wie eine Konzernchefin.“ Wenn aber zuhause klar sei, dass alle Aufgaben die gleiche Bedeutung haben, habe das eben auch einen Effekt auf die Kinder.

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Zum Tweet von Ninia LaGrande

Unser Verhalten als Eltern, unser Vorleben – das hat einen Einfluss darauf, was wir unseren Kindern vermitteln. Aber was ist mit der Umwelt?
Genderneutrales Spielzeug ist inzwischen wohl in aller Munde. In den Spielzeugabteilungen herrschen trotzdem oft noch entweder rosa Glitzerfeen oder mutige Abenteurer in Camouflage. Wie aber reagiere ich ganz praktisch, wenn meine Dreijährige nach dem Kindergarten erzählt, die anderen Kinder hätten sie geärgert, weil ihre blaue Schuhe “Jungs-Schuhe” seien? 
Nils, der sich bei pinkstinks.de immer wieder mit solchen Themen auseinandersetzt,  erklärt dazu, dass er sich selber überhaupt nicht als „Geschlechterpolizei“ sieht und auch nicht findet, dass er seinen Kindern solche Auffassungen austreiben müsste.
„Einfalt setzt man am besten Vielfalt entgegen.“ Er selber zwinge seine Töchter nicht zum kicken und seine  Jungs auch nicht zum Ballett zu gehen. Viel wichtiger sei es, dass sie wählen können, „ohne, dass ihnen jemand ihr Geschlecht um die Ohren schlägt.“ Meine Tochter muss also wissen, dass sie selber die Wahl hat. Und das sie alles mögen darf, egal welche Farbe es hat. Nur so kann sie stark genug sein, sich bei anderen Kindern auch zu behaupten und für ihre Vorlieben einzustehen. 

Blogger Thomas hält von der Gender-Spielzeug-Debatte gar nichts.

“Null, niente, nada. Mehr noch, ich hasse diese Gleichmacherei.” Sein dreijähriger Sohn Theo Julius schiebe mit derselben Begeisterung den Puppenwagen mit dem Teddy durch die Gegend, wie seine Eisenbahnen und Flugzeuge. “Ich habe ihm das eine nicht näher gebracht als das andere.” Genauso gebe es zuhause einen Kindergrill und eine Kinderküche.

Viel wichtiger sei ihm das Vorleben von Rollenbildern.

“Meine Frau kocht viel besser als ich, dafür bekomme ich die Dinge auf dem Grill besser hin. Wir grillen im Sommer nahezu täglich, übrigens nicht nur Fleisch. Ich kann wiederum besser bügeln als meine Frau und beim Betten beziehen macht mir niemand etwas vor. 20 Monate Zivildienst auf einer Inneren Station im Krankenhaus haben Spuren hinterlassen. Ich habe derartig viele Betten bezogen, daran kommt ein durchschnittlicher Haushalt nicht in 90 Jahren Lebenszeit.”

Auf meine Frage hin, ob man es mit der Sensibilität bei diesem Thema auch übertreiben kann, antwortet Thomas überzeugt: “Ja, man.” Soweit entfernt voneinander sind Nils und Thomas dann aber doch nicht. In beiden Familien gibt es vielfältige Angebote für die Kinder.  

Hat Nilz Bokelberg vielleicht doch Recht und „Einhörner und Emanzipation“ müssen kein Widerspruch sein?

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Steht auch Männern gut: Das Einhorn. Photo by Levi Saunders on Unsplash

„Warum denn auch?“ fragt mich Nils Pickert zurück. „ Einhörner sind super! Genau wie die Farbe Rosa, Lust auf Verschönerung und Feenglitzer. Aber eben für alle und nicht qua Geschlecht verfügt. Die Lieblingsfarbe meines zweijährigen Sohnes ist pink, weil wir auf dem Weg zur Kita immer als letztes an einem pinken Auto vorbeilaufen. Damit kann er genauso ein anständiger Mensch werden wie seine zwölfjährige Schwester.“

Aber selbst zweijährige Jungs werden schon in gendergeprägte Rollen gedrängt. Sie sollen keine Haarspangen tragen, weil das ja Mädchenkram ist, was wiederum an sich schon wieder abwertend gemeint ist.   
Deswegen sagt Nils auch: „Zurücklehnen ist für uns Eltern nicht. Klar ist das verführerisch, weil es entspannter ist. Aber es gibt keinen sozialisierungsfreien Raum. Kinder werden von klein auf für ihr Geschlecht in Haftung genommen und in die jeweiligen rosa und hellblauen Ecken gedrängt. Die Ecken sind nicht das Problem. Die Kinder auch nicht. Sondern das Drängen. Und das fängt eben nicht erst mit 16 an.“

Welche stereotypen Bilder wir alle im Kopf haben, zeigt auch dieses Video der BBC: 

Sobald ein Kind nicht mehr dem Geschlecht entsprechend angezogen wird, werden ihm die vermeintlich passenden Spielsachen angeboten. Nils Pickert sagt deswegen: ”Wir müssen in unseren Köpfen aufräumen und weniger in den Schubladen unserer Kinder.” Das wir Spielzeuge einem Geschlecht zuweisen und Kinder dann dazu nötigen, ihr Geschlecht im Spiel zu belegen, daran sollten wir etwas ändern.

Feministische Kindererziehung kann also im besten Sinne Freiheit bedeuten.

Freiheit, das auszuprobieren und zu leben, was den Kindern gefällt. Das schließt rollenkonformes Verhalten ebenso ein, wie jede andere Ausprägung. Väter, die sich bewusst mit ihrem eigenen Rollenverständnis und auch ihren Lebensmodellen auseinandersetzen, können für unsere Kinder nur ein Gewinn sein. Umso besser, wenn es nicht nur bei Lippenbekentnissen bleibt.

Und nun interessiert mich:

Wie geht ihr bei euren Kindern mit dem Thema um? Ist es euch wichtig, euren Jungs und Mädchen feministische Werte beizubringen? Oder findet ihr das alles übertrieben? Wie geht ihr mit Spielzeug um und wie macht ihr eure Kinder stark?

Danke, dass ihr bis hierhin am Ball geblieben seid.
Love, eure Sonja ❤

Ein großes Danke geht an meine Interviewpartner Nils und Thomas. Dieser Text ist eigentlich in Zusammenarbeit mit einem Onlinemagazin entstanden. Nachdem dort mein Ansprechpartner wechselte, fand die (neue) zuständige Redakteurin das Thema dann leider doch nicht mehr passend. Thomas und Nils haben mir daher netterweise erlaubt, den Text hier zu veröffentlichen, obwohl wir eigentlich eine ganz andere Plattform vereinbart hatten.

Weiterlesen: 
Leseempfehlung: Good Night Stories for Rebel Girls

Das Ding mit genderneutraler Kinderkleidung…

 

5 Comments

  1. Liebe Sonja, ein sehr guter Beitrag. Vielen Dank. Dieses Geschlechtstypische Denken in unserer Gesellschaft ist völlig überholt. Ich finde es auch immer unmöglich wenn meine Tochter nach Hause kommt und mir erzählt, dass es Jungs- und Mädchenspielsachen gibt. Dann muss ich jedes Mal Aufklärung leisten, denn von zu Hause hat sie das nicht. Über das Thema Puppen spielen bei Mädchen könnte ich einen eigenen Beitrag schreiben;-)Super geschrieben!Danke!LG Sonja

    1. Liebe Sonja, ja bei vielen Eltern gibt es da ehcbt noch krasse Stereotype. Und die Kinder plappern das dann halt weiter. Letzte Woche hab ich auf einem Flohmarkt Kindersachen verkauft. Da kam das Thema auch auf. Eine Mutter wollte eine (wohlgemerkt komplett blaue) Jeans dann doch nicht für ihr Kind, weil die doch aus der Mädchenabteilung sei. Da war nicht eine einzige Rüsche oder so dran. Aber na ja, wir können es bei unseren eigenen Kindern nur anders handhaben. 🙂 Liebe Grüße zurück!!

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