Kinder nerven. Sie sind laut und sie sind dreckig. Sie kreischen in tinnitusauslösenden Tonhöhen und sie schmeissen ständig Becher rum. Außerdem sind sie launisch. Sie können in Sekundenbruchteilen ihre Meinung ändern. Wo eben noch herzlich über einen Pups-Witz gelacht wurde, kann im nächsten Moment ein wildgewordener grüngesichtiger Hulk Gift und Galle spucken, weil die Banane in Mutters Hand es gewagt hat an der falschen Stelle abzubrechen.


Photo by Kyle Glenn on Unsplash

Was wäre die Welt nur ohne Kinder…

Ganz ehrlich, ohne Kinder wäre unser Leben um einiges bequemer. Unter unserem Esstisch lägen nicht ständig festgeklebte Nudeln, unser Geschirr wäre nicht aus buntem Plastik. Abends gingen wir schick essen und dann die ganze Nacht tanzen anstatt noch während der Tagesschau in einen komatösen Sofaschlaf zu fallen. Wir würden unseren Urlaub nicht beim Campen in Holland verbringen, sondern zur Full Moon Party nach Thailand jetten. Wir hätten mehr Schlaf, viel mehr Schlaf, oh ja dieser Schlaf…

Und wir hätten mehr Sex. Ausschweifenden, überbordenden, verrückten, verhüteten Sex. Und unsere Körper, ach die wären gestählt vom vielen Sport, der Kopf ausgeruht und ausreichend meditiert und die Fingernägel lackiert.


Aber…

Ihr wusstet, dass ein ABER kommen muss. Schluss mit den Tagträumen. Wir wollen gar nicht tauschen und das ist das Schizophrene am Elternsein. Wir lieben und verachten das Chaos gleichermaßen. Wir wünschen uns manchmal ganz weit fort, ans andere Ende der Welt und flüchten dann doch nur hinter die geschlossene Klotür. Um im nächsten Moment festzustellen, dass wir genau hier sein wollen. Erinnert ihr euch noch an das erste “Mama” oder “Papa”, das euren Kindern aus diesen zierlichen kleinen Knutschlippen entfleucht ist? Erinnert ihr euch an den ersten Anblick eures frisch geschlüpften Kindes? Erinnert ihr euch an den Stolz über die ersten Schritte, das erste Mal alleine anziehen, die klugen Fragen und Gedanken eurer Heranwachsenden? Eben.

Kinder sind pure Liebe.

Liebe für das Leben. Liebe für den Augenblick. Liebe für das Anderssein.

Kinder zwingen uns immer wieder unsere Perspektive zu verändern. Wir müssen uns selber hinten an stellen und das tut uns gut. Wir müssen den Blick weiten, müssen uns zwingen im Moment zu leben und können gar nicht anders, als uns auf sie ganz und gar einzulassen. Kinder sind anders. Und genau das ist es, was sie so wertvoll macht. Neben ihren Kulleraugen.

Warum ich den Ruf nach kinderfreien Zonen gefährlich finde

Kinderfreie Cafes, Restaurants oder Hotels machen immer wieder mal Schlagzeilen. Und mit schöner Regelmäßigkeit regen sich dann Eltern und Nicht-Eltern auf und gehen sich virtuell an die Gurgel. Sachlich bleiben scheint bei diesem Thema besonders schwierig und schnell schwingt der Vorwurf durch den Raum, der andere wolle einem den eigenen Lebensentwurf madig machen. Eltern schreien los, wie wichtig Kinder sind. (So wie ich gleich noch, passt mal auf.) Und kinderlose (- oder kinderfreie sagt man jetzt?) Menschen pochen auf ihr Recht auf Ruhe.

Was ist aus Miteinander und leben und leben lassen geworden?

Die Fronten verhärten sich schneller als Sekundenkleber. Aber warum ist das so? Weil wir uns immer sofort in unserem persönlichsten Bereich angesprochen und vor allem angegriffen fühlen. Die Entscheidung für oder gegen Kinder ist eine ganz intime. Und ein jede*r hat das Recht, diese Entscheidung nach bestem Wissen und Gewissen zu fällen und in dieser Wahl akzeptiert zu werden. (So denn die Entscheidung nicht durch medizinische oder andere Gründe ohnehin abgenommen wird.)

Jede*r Mensch hat auch das gute Recht auf seine Ruhe. Nur muss die eben nicht in einem öffentlichen Raum gewährt werden. Kinder sind ein Teil unserer Gesellschaft und in einem demokratischen, gleichberechtigen Zusammenleben ist es unerlässlich, dass wir für Teilhabe sorgen. Kinder und Eltern müssen genauso Teil am öffentlichen Leben haben können, wie alle anderen auch. Wo Kinder sichtbar sind, lernen wir Verständnis, Rücksichtnahme und auch Demut.

Eigenschaften, die wir im Zusammenleben mit allen anderen Menschen ebenfalls gebrauchen können. Genauso wie wir dafür sorgen sollten, dass Menschen mit Behinderungen Zugang zum öffentlichen Leben haben. Genauso wie wir akzeptieren müssen, dass es große, kleine, dünne, dicke, dunkelhäutige oder blasse Menschen gibt und diese in unseren Straßen sichtbar sind.

Die Angst vorm Anderssein darf uns nicht bestimmen

Wo haben die Menschen am meisten Angst vor “Ausländern”? Dort, wo die wenigsten leben. Wir igeln uns lieber ein und hüllen uns in eine Umgebung, die wir kennen. Zwischen Schweineschnitzeln und Currywürsten fühlen wir uns wohl und wehe eine Falafel kreuzt unseren Weg.

Will die jetzt Kinder mit Rollstuhlfahrer*innen und Flüchtlingen gleichsetzen? In gewisser Weise schon. Denn eines haben all diese Gruppen gemein: Sie sind anders. Sie sind divers. Und sie sind ein Teil von uns.

Je weniger ich mich mit Anderen auseinandersetzen muss, umso bequemer ist es natürlich. Was der Bauer frisst, das kennt er. Oder so. Keine Sprachbarrieren, keine versperrten Wege durch Kinderwägen, keine umgeschmissenen Trinkbecher mehr. Aber auch kein Dazulernen, kein Öffnen, kein Aufeinanderzugehen.

Natürlich wollen wir am liebsten in unserer Komfortzone bleiben. Wer weiß was dahinter wartet. Aber wann immer wir uns hinaus wagen, werden wir belohnt. Denn wer weiß schon, was uns erwartet?

Ausgrenzung kann nicht die Lösung sein. Nie.

Und deswegen habe ich diesen polemischen Titel gewählt und deswegen stelle ich mich auch in euren Shitstorm, wenn euch danach ist. Denn ich werde euch entgegenschreien: Ausgrenzung hat es noch nie besser gemacht! Nicht bei Hitler, nicht während der Apartheid und ja verdammt, auch nicht im Cafe um die Ecke.


Kinder müssen Teil unseres Stadtbildes sein.
Photo by Siarhei Plashchynski on Unsplash

Die Vielfalt unserer Gesellschaft ist unsere Stärke. Und die muss sichtbar sein. Auch für und durch die Kleinsten und auch, wenn die sich mal wieder so richtig daneben benehmen. Und ja, auch dann noch, wenn jeder Becher von hier bis nach Timbuktu umfällt. Denn auch das ist ihr gutes Recht.

Love n peace, Sonja

5 Comments

  1. Zwar habe ich mich im ersten Teil ganz besonders wiedergefunden (und amüsiert), aber auch dem restlichen Text kann ich nur zustimmen.
    Gruß, Matthias

  2. Puh. Am Wochenende wollte ich am liebsten auch einfach ganz weit weg sein. Dieses Chaos. Ich hasse es. Und als wir dann zu viert am Küchentisch gespielt haben wollte ich genau dort sein 🙂

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