Gestern im Park saß ich mit einer Freundin am Rande des Spielplatzes während unsere insgesamt drei Mädels selbstvergessen über den zugegeben recht großen Platz rannten. Mit Stolz beobachtete ich die bald Dreijährige, wie sie sich zwischen älteren Kindern behauptete und mit großem Selbstverständnis alleine durch die Welt flitzte.

Photo by Andrej Lišakov on Unsplash

“Du bist schon ganz schön entspannt” meinte meine Freundin plötzlich zu mir und ich musste ziemlich stutzen. “Ganz im Ernst”, ergänzte sie. “Du und dein Mann, ihr ruht doch in euch selbst.” Da musste ich ziemlich lachen, denn das würden wir wohl niemals über uns selber behaupten.

Und doch fand ich es schön. Entspannte Mutter – das hört sich erstmal gut an.

Aber was soll das überhaupt bedeuten? Wenn sie meinte, dass ich seelenruhig am Rande sitze, während meine zwei Töchter die Welt erobern, dann war das nur die halbe Wahrheit. Denn auf der einen Seite genoss ich es sehr, mich nicht mehr Hand in Hand mit einem Kleinkind in gebeugter Haltung durch eine Kletterlandschaft quälen zu müssen.

Und tatsächlich finde ich es toll, dass die Kinder größer werden und ich weine zum Beispiel der Babyzeit mit alle ihren Höhen und Tiefen und durchzahnten Nächten eher nicht so hinterher. Im Gegenteil, ich genieße es, dass die Kinder selbstständiger werden und bin wahnsinnig stolz auf sie.

Doch was meine Freundin nicht wissen konnte, war, dass ich unsere Kinder (und zwar alle drei) in jeder Minute im Auge hatte. Selbst beim Tratschen über Dies und Das hätte ich jederzeit sagen können, wo gerade welches Kind unterwegs war. Grünes Shirt – Kind rutscht; blaue Sternchenjacke – rennt gerade um das Klettergerüst; pinkes Shirt – unterhält sich mit einem anderen Kind am anderen Ende des Spielplatzes. Entspannt geht irgendwie anders, oder?

Entspannt oder fahrlässig?

Ich glaube der schmale Grad zwischen Entspanntheit und Vernachlässigung wird ziemlich individuell bewertet. Was die einen als Sorge empfinden, wird von anderen Eltern als Gängeln bezeichnet. Und ist das nicht auch der Anlass für Streit schlechthin, wenn wir uns mit Eltern auseinander setzen müssen, die so ganz andere Ansichten haben als wir selbst? Echt mal, wie können die nur?!

Schon allein der Unterschied zwischen der großelterlichen Fürsorge und der unseren führt doch in ziemlich vielen Familien gerne zu Aufregung. Schauen wir uns allein an, wie sehr sich unsere Zubettbring-Zeremonie von der unserer Eltern unterscheidet, so kann man zumindest bei uns in der Familie doch wesentliche Unterschiede erkennen.

Schon wenn ich mit Kollegen, deren Sprößlinge gerade zehn oder fünfzehn Jahre älter sind als meine darüber spreche, dass wir unsere Kinder jeden Abend in den Schlaf begleiten und mir das manchmal zwar ganz schön auf den Keks geht, aber die Kinder bestimmen dürfen, wann sie es nicht mehr brauchen, dann tun sich auf einmal Welten zwischen uns auf.

Und so ist das mit vielen anderen Dingen eben auch.

Eine andere Freundin von mir konnte beispielsweise seelenruhig zusehen, wie ihr Krabbelkind den halben Spielplatz durchlutschte und eigentlich immer eine Ladung Steinchen im Mund hatte. Von anderen Müttern wurde sie wirklich oft panisch (ich habe das mehrfach beobachten dürfen) darauf hingewiesen, dass ihr Kind ersticken werde. Sie aber vertraute auf die Kompetenz ihres Kindes und sie hatte ja ihrerseits wiederum auch oft genug beobachtet, dass die Steine kurze Zeit später alle wieder ausgespuckt wurden. Ich fand sie immer wahnsinnig entspannt. 🙂

Wir müssen akzeptieren, dass andere Eltern andere Grenzen haben.

So lange es sich nicht um kindeswohl-gefährdende Aktionen handelt, sollten wir uns lieber auf die Zunge beißen anstatt anderen vorzuschreiben, wie sie sich zu verhalten haben. Sonst kippt die Stimmung und das mit Recht.

Denn ebenso wie jede Familie ihre eigenen Rituale hat und ihre eigenen Gewohnheiten hat, so hat jeder Elternteil das Recht nach bestem Wissen und Gewissen für seine Kinder zu entscheiden, ohne dafür verurteilt oder gar angegriffen zu werden. So lange weder die eigenen noch andere Kinder gefährdet werden, ist doch auch eigentlich alles in Butter, oder? Oder etwa nicht?

Bin ich also entspannt? Die Antwort lautet ganz klar: Jein.

Freiheit und Freiraum sind mir wichtig, deswegen achte ich darauf, dass auch meine Kinder das – ihrem Alter entsprechend – ausleben dürfen und sich dort entwickeln können. Wann immer es geht, sollen sie die Erfahrung machen, dass sie etwas alleine können. Andererseits bin ich da, sobald sie dann doch mehr Unterstützung brauchen oder wollen.

An der großen Straße beispielsweise vertraue ich meinem Fast-Vorschulkind, dass es an der Ecke auf mich wartet und wir gemeinsam hinüber gehen. Auf dem Dreimeter-Kletterturm hingegen werde ich unruhig, weil ich selber ein Problem mit Höhe hab. Hier muss ich mir oft auf die Zunge beißen und sie machen lassen, weil ich meine Ängste nicht auf sie übertragen möchte. Die Große bewegt sich nämlich auch dort ziemlich souverän und hat im Gegensatz zu ihrer Mutter überhaupt keine Probleme mit allerlei sportlichen Aktivitäten.

Nicht wirklich gut loslassen kann ich, wenn meinem Kind weh getan wird. Wir sind beide eher sensibel (auch wenn man mir das nicht immer anmerken kann) und als Mama fällt es mir manchmal ganz schön schwer, mich von ihren Gefühlen abzugrenzen. Das ist ein Bereich, in dem ich immer noch jeden Tag lerne. Wird mein Kind verletzt, weil die ehemals beste Freundin ihr die Freundschaft kündigt, fällt es mir ziemlich schwer, das aus der sachlichen und erwachsenen Perspektive zu betrachten. Ich weiß, dass sie auch so etwas erleben und lernen muss und das sie ihre eigenen Strategien entwickeln wird, damit umzugehen. Und doch würde ich am liebsten eingreifen. Da finde ich mich nicht sehr entspannt. Wirklich nicht.

Fremdbild vs. Eigenbild – Wer hat Recht?

Meistens finde ich mich selber eher chaotisch als entspannt. Ich vergesse Termine, hetze zwischen Arbeit und Kindergarten hin und her und bin froh, wenn ich nichts Wesentliches verbaselt habe. Ich fühle mich eher gestresst und ja manchmal bin ich sogar launisch. Jep, Rabenmuddialarm at it’s best. Und wenn mich das hundertste “Maaaama” in diesem einen bestimmten Ton (den kennt ihr auch, oder?) erreicht, möchte ich zum Mond fliegen. Hauptsache fünf Minuten Ruhe.

Ich muss nicht dazu sagen, dass ich dieses Ruhe genießen auch nicht so gut hinkriege, oder? Kaum sitze ich allein irgendwo, schaue ich sentimental ungefähr 5 Millionen Kinderbilder auf dem Handy durch. Macht ihr doch auch, oder?

Es ist wie immer in diesem Elternsein ein ständiger Wechsel zwischen Loslassen und Beschützen. Zwischen Vertrauen und Kontrolle und wie immer wachsen wir alle ziemlich unterschiedlich in diese Phasen hinein. Sollten meine KINDER aber eines Tages sagen, dass ich eine ziemlich entspannte Mutter war, dann würde ich mich doch auch ein wenig freuen.

Und wie geht es euch mit dem Loslassen? Fällt es euch schwer oder könnt ihr euch gut auf euer Bachgefühl verlassen? Findet ihr euch entspannt? Und ist euch das überhaupt wichtig?

Ich freu mich auf eure Kommentare. Love n peace, eure Sonja

1 Comment

  1. Ich glaube, dass man nicht alles zerdenken sollte. Einfach tun was für einen richtig ist tut es auch. Muss noch nicht mal Begründungen geben dafür. Es ist so wie es ist. Und das ist gut so. LG Sultanine 🌸

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