Kinder im Garten – Juhu, wir sind systemrelevant!

Zwei Kinder sind von hinten zu sehen, wie sie im Garten spielen.
Zwei Kinder sind von hinten zu sehen, wie sie im Garten spielen.
Die Freude hätte kaum größer sein können. Bei Kindern und Eltern. Wir dürfen wieder in den Kindergarten.

Können wir, können wir nicht? Wir sind doch.. oder sind wir nicht? Die letzte Woche war für uns eine echte Achterbahn der Gefühle. Vorsichtig aufkeimende Hoffnung, ein wenig Verzweiflung zwischen Akten und Formularen, banges Hoffen und dann am Ende, die Bestätigung. Ja, wir gehören zur “kritischen Infrastruktur”. Unsere Kinder dürfen “unter Vorbehalt” wie sich das für Behördendeutsch gehört, in die Notbetreuung.

Dazwischen lagen viele Emails, Anrufe, Whatsapp-Nachrichten und Telefonate mit anderen Eltern sowie zwei komplett unterschiedliche Formulare, denn das Neue musste ja erst geschaffen werden. Erst war es nicht so ganz klar, gelten die Regeln für uns, langt ein Erziehungsberechtigter in der kritischen Infrastruktur, was ist, wenn der Partner aber außer Haus arbeiten muss und wie ist das eigentlich, wenn Wohn- und Arbeitsort in zwei verschieden Bundesländern liegen? Spoiler: die Gemeinde des Kindergartens und damit das dortige Bundesland sind entscheidend. Und dann am Freitag Abend um 21 Uhr die erlösende Mail vom Träger: Ihre Kinder dürfen ab Montag kommen.

Tränen der Vorfreude und der Erleichterung

Gestern Abend lagen wir nun zu dritt im Bett und sprachen über den morgigen Tag. Und da brachen die Tränen aus. Tränen über all die Freunde, die meine Mädels vermissen und nein, mit 3 und 5 Jahren ersetzt kein Videoanruf der Welt das gemeinsame Spielen. Tränen über die geschlossenen Spielplätze flossen, Tränen über die vermissten Omas. Tränen der Erleichterung über den ersten Schritt in ein wenig Normalität für uns. Aber auch Tränen, weil die beste Freundin der Kleinen eben noch nicht kommen darf. All die aufgestauten Emotionen brachen heraus und wenn ich morgens Zweifel gehabt hätte, ob das für die Kinder alles richtig ist, so hätten diese spätestens jetzt keine Chance mehr gehabt.

Kinder brauchen andere Kinder

Meine Kinder hatten es in den letzten Wochen trotz allem gut. Das ist sehr bewusst. Sie haben einander. Das ist unfassbar wertvoll. Nie hätte ich mit der Inbrunst Bibi und Tina gespielt, wie diese beiden in den letzten Wochen. Wir haben ein ganzes Haus, das wir verwüsten können und einen eigenen Garten. Das ist so viel mehr als viele andere, für die ich mit die Stimme erheben möchte. Und ich weiß, dass wir hier privilegiert sind. Trotz Kurzarbeit plagen uns keine größeren finanziellen Sorgen, weil mein Job zu 100 Prozent weiterläuft. Das ist viel in diesen Zeiten.

Doch in dieser sechsten Woche hatten die Kinder einen Lagerkoller, das wurde immer deutlicher. Es gab mehr Krach und Tränen, mehr Quengeln und Langeweile. Kurzum Unterforderung, denn Mama sitzt ja am PC. Die letzten Wochen haben an unser aller Nerven gezerrt. Kinder lassen sich eben nicht mal eben so nebenbei betreuen und gleichzeitig schreibt Mutti sinnvolle Konzepte oder trägt Gehaltvolles zur Videokonferenz bei. Aber das hatten wir im letzten Blogeintrag ja schon ausführlich. Die Kinder gierten nach sozialen Kontakten.

Hinterm Zaun lauerten sie nun Nachbarn auf, die dort Rasen mähen oder sonstwas machen wollten und dann quatschten sie den lieben Leuten, die alle wirklich sehr geduldig waren, mindestens ein Kotelett an die Backe. Jeder Fitzel eines gesprochenen Wortes aus einem familienfremden Mund wurde aufgesaugt. Und wen wunderts?

Normalerweise sind meine Mädchen in ihrem Alltag umgeben von dem Dorf, das Kinder doch brauchen, um aufzuwachsen. Wir erinnern uns noch an diese Redewendung, nicht? Sie spielen morgens im Kindergarten und haben ihre Erzieherinnen als Bezugspersonen. Sie gehen nachmittags ins Ballett und albern mit der Trainerin rum. Sie spielen bei der Leihoma und Mama kann gar nicht spät genug zum abholen kommen. Sie haben ihre Freunde, ihre Omas und ihre Lieblingsorte. Und all das, ob See oder Spielplatz oder Omas Garten sind tabu. Und egal, wie oft die Erwachsenen sagen, dass wir all das wegen Corona nicht machen, um andere zu schützen, sie VERMISSEN es!

Da kann der Kopf tausend Mal sagen, dass das vernünftig ist. Und das kann auch ein kleiner Kopf. Das Herz weiß genau, was es will.

Alle Kinder brauchen eine Lösung

Auch wenn wir nun zu den wenigen Glücklichen gehören, für die der Alltag etwas leichter wird: Wir brauchen eine Perspektive für alle Kinder. Ob Einzelkind, alleinerziehender Elternteil, ob systemrelevant, finanziell benachteiligt oder privilegiert. In absehbarer Zeit wird es keine Impfung geben? Dann muss es jetzt Ideen geben, wie Kinderbetreuung und auch Schule anders gestaltet werden kann, trotz und mit Corona. Ob Waldgruppen, wechselnde Tage oder Vor- oder Nachmittage, Vorschläge hat es von qualifizierten Pädagogen reichlich gegeben. Da muss ich nicht auch noch meinen Senf zu geben. Auch (innerdeutsche) Studien werden jetzt ja endlich mal begonnen, ob Kinder überhaupt so ansteckend sind wie vermutet. Gut, das hätte schon vor sechs Wochen begonnen werden müssen, aber hauptsache es passiert etwas.

So viele Familien waren gerne bereit, ihre Bedürfnisse hinten anzustellen. Nun ist es an der Zeit, die Familien zu hören und für sie wieder gangbare Möglichkeiten zu schaffen, Beruf und Familie zu vereinen. Denn was vor Corona galt, gilt nun während der Krise umso mehr: Wir arbeiten in der Regel nicht aus reiner Freude, sondern weil wir auf unsere Jobs angewiesen sind.

Ich kann nur aus meiner sehr subjektiven kleinen Blase erzählen, dass uns dieser Tag sehr weit nach vorne gebracht hat. Die Mädchen waren so voller Vorfreude, dass sie nicht mal frühstücken konnten. So schnell hatten sie noch nie ihre Schuhe an und standen an der Tür. Und ich, ich kann endlich wieder mit klarem Kopf arbeiten. Das wünsche ich allen anderen Familien auch. Wir denken an euch! Ihr seid nicht vergessen. Wir vermissen euch!

Wer etwas tun möchte, kann übrigens hier die Kinder brauchen Kinder Petition unterschreiben und teilen. Es fehlen nur noch wenige Stimmen, bis die 50.000 Unterschriften voll sind.

Alles Liebe, bleibt gesund und denkt dran: mentale Gesundheit zählt auch,

Sonja

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