Eine Geburt kann toll sein. Ja wirklich. Seit meinen zwei sehr unterschiedlichen Erlebnissen kann ich nicht müde werden, euch davon zu berichten. Und da ich in meinen Statistiken sehe, dass euch dieses Thema auch sehr interessiert, gibt es heute den nächsten Beitrag zum Thema Geburt.

Nun also die Mythen rund um das Thema Geburt. Warum eigentlich? Bevor wir selber Kinder bekommen, haben wir in der Regel wenig Berührungspunkte mit diesem Thema. Wir kennen die Geschichten unserer Mütter und vielleicht mal ein paar Horrorstories. Aber selten hören wir ehrliche und unprätentiöse Geburtsberichte. Und viele von uns, auch ich damals, neigen wohl auch eher dazu, sich nicht “zu viel” anhören zu wollen, um nicht zu sehr verängstigt zu werden.
Wie läuft eine Geburt eigentlich ab?
Wie blutig ist eine Geburt? Und da bei mir ja immer der Kaiserschnitt am Horizont drohte, natürlich auch die Frage: Welche Geburt ist wohl am schmerzhaftesten? Solche Dinge sind mir damals im Kopf herum gegeistert. Und dennoch wagte ich erst, mich damit zu beschäftigen, als die Geburt des ersten Kindes sich wirklich nicht mehr wegdiskutieren ließ.
Ich hatte einfach einen Heidenrespekt, vor dem was da nun kommen würde. Dabei kann eine Geburt doch so viel mehr sein als Schmerz und Leiden. Nein, das was Hollywood da immer so übertrieben inszeniert, das ist nicht die ganze Wahrheit. Geburtsszenen in Filmen sind überspitzt und dramatisieren. Das dient dem Film. Nicht aber den vielen Frauen, die noch nicht geboren haben.
Schauen wir uns also mal ein paar Mythen rund um das Thema Geburt an. Fallen euch noch mehr Mythen zum Thema Geburt ein? Dann immer her damit.
1. Mythos: Eine Geburt ist fürchterlich blutig
“Wenn Sie Pech haben, bluten Sie so stark, wie das Wasser hier aus dem Kran läuft. Das dauert keine fünf Minuten, dann sind Sie tot.” Mit diesen Worten wollte meine damalige Frauenärztin mich von der geplanten Hausgeburt abbringen. Dabei drehte sie den Wasserkran ordentlich auf. Ja, danke auch. Das Bild verfehlte seine Wirkung nicht. Natürlich war ich verunsichert.
Denn das kann es tatsächlich geben, dass der Blutverlust bei einer Geburt ziemlich stark ist. Diese Komplikation ist aber sehr selten. Wie selten habe ich dann im Qualitätsbericht der außenklinischen Geburtshilfe nachgelesen und war danach wieder sehr beruhigt. Für euch habe ich hier die aktuellsten Zahlen herausgesucht: Im Jahr 2016 sind von insgesamt 12.170 außerklinischen Geburten bei 213 Müttern Blutungen mit über 1000ml aufgetreten. Das entspricht 1,8 Prozent der Gesamtmenge. 77 dieser Mütter sind daraufhin in die Klink verlegt worden. Die anderen konnten mit den üblichen Notfallmedikamenten, die die Hebammen immer dabei haben behandelt werden. KEINE Mutter ist daran verstorben. Mütter, mit der entsprechenden Disposition sollten tatsächlich besser im Krankenhaus gebären. Gesunde Mütter aber können auch zuhause gut aufgehoben sein, wenn alles passt.
Wenn ihr euch für eine Hausgeburt oder generell für die Statistiken zu Geburten interessiert, kann ich euch die Lektüre der QUAG nur empfehlen. Und für alle anderen gilt: Der Blutverlust einer “normal” verlaufenden Geburt ist total überschaubar. Die medizinischen Tücher, die wir zuhause ausgebreitet hatten, passten in einen kleinen Haushaltsmülleimer. Kein Gemetzel zu sehen. Sorry Guys. 🙂
2. Mythos: Eine Geburt ist immer unendlich schmerzhaft
Wenn Männer Kinder kriegen würden… höhöhö… solche und ähnliche Sprüche habt ihr alle schon mal gehört. Und ja, eine Geburt ist kein Spaziergang. Und ja, es kann auch sehr schmerzhafte Geburten geben. Aber die gute Nachricht ist: Unser Körper ist auf diesen außergewöhnlichen Zustand bestens vorbereitet.
Das Zusammenspiel der Hormone sorgt dafür, dass wir eine Geburt in der Regel ziemlich gut verpacken können, sogar ohne Schmerzmittel. Dieser Ausschnitt von hebammenfürdeutschland.de erklärt das Zusammenspiel ziemlich treffend: “Durch den Wehenschmerz ist die Frau in Stress, und ihr Körper produziert Stresshormone, sogenannte Katecholamine. Der bekannteste Vertreter der Katecholamine ist das Adrenalin. Wenn die Produktion dieser Katecholamine rhythmisch erfolgt, werden gleichzeitig Oxytocin und Endorphine ausgeschüttet, was wiederum zu vermehrten Wehen und einem verminderten Schmerzempfinden führt.”
Für den reibungslosen Ablauf dieses Zusammenspiels ist es wichtig, dass die Kontraktionen der Gebärmutter regelmäßig stattfinden. Andernfalls kann das Ausstossen des Oxytocins gestört werden. Das kann passieren, wenn die Frau friert, wenn das Personal im Krankenhaus ständig wechselt oder unfreundlich ist, oder oder oder… Die Begleitung der natürlichen Geburt und der Schutz der Mutter haben also oberste Priorität unter der Geburt. Das hat ja dieser Tage auch die WHO festgestellt und empfiehlt Geburtshelfern, sich bei Interventionen möglichst zurückzuhalten. Wer sich wirklich fallen lassen kann und darin unterstützt wird, hat auch die größte Chance, die Wehen und damit auch die Geburt als “machbar” zu erleben.
3. Mythos: Eine Geburt beginnt immer mit dem Platzen der Fruchtblase
Auch dieser Mythos ist wohl Hollywood geschuldet. Es sieht ja auch so schön dramatisch aus, wenn der Frau direkt mal ein Eimer Fruchtwasser aus der Gebärmutter schiesst. Bei rund 25 Prozent aller Schwangeren beginnt die Geburt auch mit dem Blasensprung. Er gilt als sicheres Zeichen für den Geburtsbeginn. Das Fruchtwasser kann dabei tatsächlich in einem Schwall abgehen. Oft sind es aber auch nur Tropfen. Wenn das Fruchtwasser als erstes abgeht, ohne das es bis dahin Wehen gab, nennt man das übrigens vorzeitigen Blasensprung. Während der Eröffnungsphase ist es ein frühzeitiger Blasensprung und wenn der Muttermund schon vollständig eröffnet ist, dann ist es ein rechtzeitiger Blasensprung. Diesen nehmen viele Frauen gar nicht mehr so richtig wahr. Denn dann ist es auch nicht mehr weit, bis das Baby das Licht der Welt erblickt und die Frauen haben gerade ganz andere Dinge im Kopf. 🙂
4. Mythos: Eine Geburt ist für den Vater ganz schwer zu ertragen
Ein sehr hartnäckiges Argument, dass mich aus mehreren Gründen ärgert. Der Mythos stammt wohl aus der Zeit unserer Großeltern, dennoch gibt es auch heute noch einige, Frauen, die ihren Männern “DAS” also die Geburt ihres Kindes nicht “antun” wollen und schon gar nicht den Blick zwischen die Beine. Puh, wo fang ich da jetzt an.
Also erst einmal ist die Geburt ein ordentliches Stück Arbeit … und zwar für die werdende Mutter. Mein Mitleid mit den Männern hält sich hier also eher in Grenzen. Sorry, not sorry.
Der Vater kann gefühlt selber “nichts tun”. Das fühlt sich erstmal blöd an, das kann ich verstehen. Es stimmt aber so gar nicht. Der werdende Vater ist im besten Fall nämlich die wichtigste Stütze für seine Frau. Er ist der Vertraute in einer eventuell fremden Umgebung und fremden Situation und das ist eine wahnsinnig wichtige Aufgabe. Er kann außerdem die Belange und Wünsche seiner Frau im Kopf behalten und ggf. dafür eintreten. Es gibt weit mehr zu tun als Händchen halten oder Rücken kraulen. Manchmal ist aber auch genau DAS gerade richtig.
Ein Satz noch zum Blick zwischen die Beine während der Geburt: Echt jetzt?
Eure Frau presst gerade euer Kind hinaus und ihr habt Sorge, dass der “Love Channel” jetzt nicht mehr sexy genug ist? Ich glaube, ihr seid völlig auf dem falschen Dampfer. Geht nochmal in euch und denkt darüber nach, was dieses Elternsein so alles bedeutet. Danke schön.
5. Mythos: Eine Geburt per Kaiserschnitt ist viel leichter
Es gibt gute Gründe für Kaiserschnitte. Und es gibt gute Gründe dagegen. Wie das so ist im Leben. Kaiserschnitte können Leben retten. Und keine Frau, die ihr Kind per Kaiserschnitt geboren hat, sollte deswegen ein blödes Gefühl oder gar ein schlechtes Gewissen haben. (Ja das gibt es.) Ich für meinen Teil hatte wahnsinnige Angst vor einem Kaiserschnitt. Da beide Kinder immer mal wieder in Beckenendlage lagen, war ein Kaiserschnitt immer mal wieder Thema bei den Ärzten. Ein Kind drehte sich übrigens dann doch und eines kam problemlos aber sehr überraschend aus dieser Geburtsposition zur Welt. Aber das nur am Rande.
Es gibt aber auch Frauen, die eben panische Angst vor einer natürlichen Geburt haben und sich deswegen für einen Kaiserschnitt entscheiden. Jede Frau muss für sich den richtigen Weg finden. Und ich möchte mir nicht anmaßen darüber zu urteilen.
Ich halte es aber für falsch, wenn Frauen glauben, ein Kaiserschnitt sei immer der leichtere Weg. Ein Kaiserschnitt ist eine große Bauchoperationen mit allen üblichen Folgen und möglichen Komplikationen.
Einige Frauen klagen im Nachgang über Probleme mit der Kaiserschnittnarbe oder das Bonding mit dem Baby im OP kann problematisch werden oder es kann medizinische Probleme geben.
Ganz wie bei natürlichen Geburten auch. Ich glaube aber, dass wir vielen Frauen die Angst vor der vaginalen Geburt nehmen könnten, wenn wir sie richtig begleiten würden. Stichwort Hebammen!
Natürlich gibt auch die Möglichkeit, den Kaiserschnitt möglichst sanft zu gestalten, indem z.B. der natürliche Start der Geburt und damit die ersten Wehen abgewartet werden und das Baby die entsprechenden Hormone ebenfalls mitbekommt.
Und sollte bei euch ein Kaiserschnitt anstehen, so ist da sicher nicht das Ende der Welt. Aber wie bei allen Geburten vertrete ich die Meinung: Je besser ihr infomiert seid, umso besser könnt ihr entscheiden, was ihr wirklich wollt. Für euch und euer Baby.
Da die Ärzte im Krankenhaus Kaiserschnitte besser planen können und diese von den Krankenkassen auch besser bezahlt werden, würde ich da nicht immer so auf eine ganz vorurteilsfreie Beratung vertrauen. Aber ich mag mich auch irren.
6. Mythos: Eine natürliche Geburt ist per se gefährlich
Auf der Schwelle zwischen Leben und Tod – so beschrieb meine Ärztin eine Geburt. Alles hänge am seidenen Faden, sowohl das Leben des Kindes als auch das der Mutter. Nun bin ich natürlich nicht objektiv, aber diese Ärztin war es offensichtlich auch nicht. Denn wären Geburten wirklich so gefährlich, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass die Menschheit so lange überlebt hätte.
Aber kommen wir zu den Fakten:
Zu den häufigsten lebensbedrohlichen Komplikationen zählen Thrombosen oder Embolien. Diese treten mit einer Häufigkeit von 1 : 1000 auf, nach Kaiserschnitten häufiger. Nachzulesen übrigens auf der Seite der frauenaerzte-im-netz.de.
Wie häufig nun aber wirklich Frauen oder Kinder versterben, kann man in einer Studie des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2010 nachlesen. Es bezieht sich auf Daten aus dem Jahr 2008. (Ich hab leider nichts Neueres gefunden. Wenn ihr über neuere Daten stolpert, immer her damit.) In diesem Jahr sind insgesamt 2 414 Kinder im Laufe des ersten Lebensjahres verstorben. Seit 1998 ist die Zahl der Säuglingssterbefälle damit aber um etwa ein Drittel zurückgegangen. Der plötzliche Kindstod wurde im Jahr 2008 übrigens nur bei 215 Kinder diagnostiziert. Und nun zu den Müttern: Im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt sind im Jahr 2008 in Deutschland 36 Frauen verstorben. Jede Frau und jedes Kind ist sicher eines zuviel. Was die Studie aber nicht erfasst hat, sind Vorerkrankungen von Mutter oder Kind.
Nichtsdestotrotz sind diese Zahlen der grundsätzlich guten Versorgung in Deutschland geschuldet.
Auch wenn wir uns gerade Sorgen machen, weil Kliniken sterben und immer mehr Hebammen ihren Job aufgeben, so stehen wir im internationalen Vergleich noch immer sehr gut da.
Dennoch finde ich es wichtig, sich diese Zahlen vor Augen zu halten. Eine Schwangerschaft und eine Geburt wird in Deutschland gerne mal problematisiert und die werdenden Eltern werden mit möglichen Komplikationen oder Schwierigkeiten bombardiert. Und ich denke, wir reagieren hier oft über. Was ist aus der guten alten “guten Hoffnung” geworden? Der medizinische Fortschritt kann eben auch hier Fluch und Segen zugleich sein.
So, mir fallen noch unendlich mehr Mythen ein, aber ich denke, das reicht fürs Erste. Wenn es euch interessiert, schreibe ich eine Fortsetzung, vielleicht noch mit den Themen errechneter Geburtstermin, Geburtsverletzungen, Geburtsverlauf und Hypnobirthing. Was denkt ihr?
Ich freu mich von euch zu hören. Love, eure Sonja ❤
sehr informativ, danke dafür
Ich hatte – geplant aber ungewollt – 2 Kaiserschnitte, und obwohl ich Zeit hatte mich darauf vorzubereiten, ging es mir sehr lange nah, dass ich keine natürlichen Geburten hatte. Ein Kaiserschnitt sollte meiner Meinung nach wohlüberlegt sein und niemals ohne triftigen Grund durchgeführt werden.
Ohne es selbst erlebt zu haben, glaube ich auch, dass du Recht hast. So eine Entscheidung sollte wohl überlegt sein. Und gerade, wenn Frau sich etwas anderes gewünscht hat, ist es glaub ich gar nicht so einfach seinen Frieden zu machen. “Hauptsache alles sind gesund” finde ich nämlich einen sehr dämlichen Ausspruch. Die Geburt sollte egal wo und wie so schön und angenehm wie möglich für Mutter und Kind sein. Ganz liebe Grüße!
Danke für diese großartige Recherche!!! Sehr wichtig empfinde ich die Aufklärung darüber. Die Angst zu nehmen und werdende Eltern zu stärken.
Super Artikel, gefällt mir.
Mythos bzw Vorurteil: Nach dem Kaiserschnitt kann man nicht stillen. -Doch!! Auch wenn ich keinen Kaiserschnitt hatte, so habe ich bei vielen Frauen miterlebt, dass sie das Stillen mit dem Kind „gelernt“ (teils auch zeitversetzt und mit Ergänzung durch die Flasche) haben und so dankbar über diese Nähe waren und das auch ein bisschen (das Fehlen) der vaginalen Geburt wieder gut gemacht hat. Ich hoffe das wird jetzt richtig verstanden.Das nicht Stillen oder Stillen sollte natürlich jede Mutter ganz individuell entscheiden dürfen.
Weiter so und Vorurteile und Unsicherheiten ausräumen!!
Liebe Grüße Anne