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Photo by Annie Spratt on Unsplash

“Oh du Arme, du musst ja schon so lange arbeiten! Ach das tut mir so leid für dich!” Ehe ich begriff wie mir geschah, war die Mutti schon weiter gezogen. Mit im Gepäck ihre selbstgebackenen Dinkelkekse und ihre vollzeitbemutterten Kinder, die sie nun vom Kinderturnen abholte und morgen zum Musikunterricht und übermorgen zum Schwimmen fahren wollte.

Und ich stand etwas ratlos da. Verdiente ich ihr Mitleid? Eigentlich nicht. Zumindest nicht in diesem Bereich. Denn Achtung Sensation: Ich arbeite ja gerne und hab mich selbst dazu entschlossen. Huch! Schockschwerenot! Um mal einen Helden aus meiner Kindheit zu zitieren.

Von falschem Mitleid und übergriffigen Kommentaren

Aber blöd fühlte ich mich trotzdem. Nicht weil meine armen Kinder mir so leid taten, dass sie ihre Vormittage in ihrem geliebten Kindergarten verbringen mussten. Sondern weil ich mich in so eine Ecke gedrängt fühlte. Und weil ich das Gefühl hatte, mich verteidigen zu müssen. Für meinen Lebensentwurf.

Und das ist etwas, was ich eigentlich total ablehne. Denn bevor jetzt die erste Vollzeitmama anfängt, mir wiederum hier Vorwürfe zu machen: Ich finde es total in Ordnung, dass sich jede von uns für ihren eigenen Weg entscheiden kann. Und auch wenn ich meine Gründe habe, so zu leben, wie ich lebe; so gebe ich mir doch größte Mühe, niemandem vorzuwerfen, sich anders entschieden zu haben.

Aber ach wohin mit all den guten Vorsätzen, wenn man doch selber immer wieder in Schubladen geworfen wird? Können wir Frauen das vielleicht mal lassen? Das fände ich toll.

Von #idiotdads und #maternalgatekeeping

Viele Menschen neigen dazu, ihre eigenen Entscheidungen zu überhöhen und andere wiederum zu erniedrigen. Vermutlich um sich selber zu bestätigen und sich besser zu fühlen. Aber ich vermute auch, dass diese Gleichung nur in den seltensten Fällen gelingt. Denn wenn ich ständig darauf erpicht bin, mich mit anderen abzugleichen, dann steht mein eigenes Selbstbewusstsein möglicherweise doch nicht auf so soliden Füßen wie ich dachte.

Warum manche Frauen dabei nicht mal Halt vor ihren eigenen Männern machen, wird mir ein ewiges Rätsel sein. Immerhin haben sie diese ja mal ausgewählt und möglicherweise sogar geheiratet.

Als ich besagter Mutter oben entgegnete, dass ich mir ja mit dem Mann die Arbeit und den Haushalt teile, und das für uns so sehr gut funktioniere, setzte sie zur nächsten Jammertirade an: “Ach meinen Mann kann ich mit den Kindern keine zwei Stunden alleine lassen. Danach sieht die Wohnung aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Der hat das einfach nicht im Griff.” Bämm.

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Photo by Ferenc Horvath on Unsplash

Da war sie, die #maternalgatekeeping Keule und sie kam Hand in Hand mit dem #idiotdad daher geschlendert. Sätze wie “Männer können das mit den Kindern einfach nicht” finde ich persönlich ähnlich begrenzt wie “Frauen kommen mit ihren kleinen Händen beim Putzen einfach viel besser in die Ecken.”
Aber nun gut, wer sich gern in diese Ecke stellt, der sollte sich dort auch wohlfühlen.  Man sollte also davon ausgehen, dass eben diese Frau mit ihrer Rolle als alleinwissende und alleinumalleskümmernde Mutter zufrieden sein müsste. Da sie so gerne Ausflüge ins Jammertal unternimmt, möchte ich diese Zufriedenheit aber zumindest anzweifeln.

Warum ich Gleichberechtigung cool finde

Das Private ist politisch und umgekehrt, oder? Ich finde, da ist etwas Wahres dran. Für mich wäre es seltsam, gleiche Bezahlung für Frauen zu fordern und mich zuhause hinterm Herd zu verstecken. Und das obwohl ich gerne koche. Aber eben nicht nur.

Deswegen ist es für mich ein Segen, mit genau diesem, meinen Mann zusammen zu leben. Unser ganz eigenes Glückskonzept funktioniert so: Jeder von uns arbeitet Teilzeit. An zwei Nachmittagen in der Woche kümmere ich mich um die Kinder, an zwei andere der Mann und den letzten Wochentag übernimmt eine liebe Freundin und Nachbarin den Kindergartenabholservice und bespaßt die Kids, bis wir kommen.

Das hat für uns folgenden Vorteil: Jeder von uns kennt sich in jedem Bereich aus. Jeder kennt den Stress, wenn man im Büro alles stehen und liegen lassen muss, um pünktlich die Kids im Kindergarten einzusammeln. Jeder kennt den Stress, wenn im Job ordentlich was zu tun ist.

Wir bleiben außerdem abwechselnd bei kranken Kindern zuhause und teilen uns die Ferienbetreuung gerecht auf. Jeder weiß, was im Kühlschrank ist, wieviel Wäsche noch im Keller hängt oder wie die Freunde der Kinder heißen. Und auch die Ernährung der Familie wird gleichberechtigt auf vier Schultern verteilt.

Verständnis, Freiheit und Freiraum

Für uns als Eltern hat dieses Modell viele Vorteile. Es kommt aber auch unseren Persönlichkeiten entgegen. Wir beide lieben nämlich auch unsere Freiheiten. Da wir den Alltag des anderen jeweils ziemlich gut kennen, haben wir viel meist Verständnis füreinander. Und das wiederum führt dazu, dass wir einander auch den nötigen Freiraum geben können, den wir beide sehr brauchen.

Und da kommen wir zum nächsten Punkt, auf den ich immer und immer wieder angesprochen werde: Männer und ihre Hobbies! Ja, auch mein Mann hat ein zeitraubendes Hobby. Wie übrigens viele Männer in unserem Freundeskreis. Die Frauen dagegen machen selten nur eine Sache so intensiv. Den meisten geht es wie mir. Ich geh gern mal aus, mal hab ich Lust zu nähen und mal sitze ich am liebsten mit einem Buch auf der Terrasse.

Mein Mann dagegen fährt Mountainbike. Aber nicht nur so gemütlich, sondern mit Lizenz. Bei Rennen. Oder er testet seine Grenzen beim Triathlon aus. Oder er rennt durch die Gegend. Auf jeden Fall braucht er Action. Er braucht die Bewegung wie die Luft zum Atmen. Und ja, natürlich ist mir das manchmal zu viel. Und ja, es würde nicht funktionieren, wenn auch ich so intensiv einen Sport machen würde. Aber und jetzt kommt das große ABER:

Das ist okay. Denn ich darf das auch. Gleiches Recht für alle! 

Ich gehe dafür lieber abends weg. Mal tanzen, mal essen, mal ins Kino und mal fliege ich allein nach Tokio, weil mein Bruder da heiratet und uns der Flug für vier Personen einfach zu teuer ist. Und mein Mann passt auf die Kinder auf. Weil er es kann. Und ich finde das großartig.

Ich rechne die Zeit, die jeder für sich selber benötigt, auch nicht gegeneinander auf. Das braucht es nicht. Denn ich fühle mich nicht benachteiligt. Ich wünsche mir manchmal mehr Zeit für uns alle. Aber wer tut das nicht? Also, ja auch hier fühle ich mich absolut gleichberechtigt, auch wenn das manchmal vielleicht anders aussieht, weil ich mal wieder allein mit den Kids unterwegs bin.

Bewusst entscheiden und den Weg konsequent gehen

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Photo by Pablo Heimplatz on Unsplash

Nur weil das für uns so funktioniert, heißt das noch lange nicht, dass das auch euer Weg sein muss. Aber wenn ich überhaupt einen Rat geben würde, dann wäre das dieser hier: Entscheidet euch bewusst und gemeinsam für einen Weg, mit dem ihr beide gut leben könnt. Dafür sind sicherlich Kompromisse nötig. Aber ihr solltet beide hinter eurer Entscheidung stehen und auch wirklich damit glücklich werden können. Denn dann ist es auch nicht nötig, sich ständig mit anderen zu vergleichen. Oder andere anzugreifen, zu kritisieren oder zu erniedrigen.

Unser Kompromiss lautet übrigens weniger Geld zu verdienen. Wir haben uns bewusst entschieden, beide mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen und nehmen dafür in Kauf, dass wir mit weniger Geld zurechtkommen müssen. Aber das funktioniert die meiste Zeit ziemlich gut. Wir müssen uns zwar bisweilen einschränken, aber bereut haben wir diesen Schritt noch nicht eine einzige Sekunde.

Und wie funktioniert das bei euch? Welche Kompromisse geht ihr ein? Seid ihr zufrieden mit eurer Arbeitsteilung oder würdet ihr gern etwas ändern? Ich freue mich, von euch zu hören! Love, eure Sonja ❤

4 Comments

    1. Wir haben es vorher auch mal anders probiert aus beruflichen Gründen. Aber so passt es gerade wirklich sehr gut. 😊

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