Heute morgen haben wir Stuhlkreis gespielt, ich bin abwechselnd Jessi, Jenny oder Sabine – (Liebe Grüße!) die Erzieherin. Aber ich spiele das nicht richtig. Die Stuhlkreis-Abläufe können die Kinder mir noch ganz gut erklären, aber ich kann weder die richtigen Frühlingslieder singen, noch Handspiele, noch Abzählreime. Das ich einigermaßen gut schreiben kann, zählt jetzt nichts. Ich habe außerdem keine Geduld beim basteln, meine gezeichneten Tiere erregen bei den Kindern eher Mitleid und sie trösten mich. “Mama, nicht jeder kann halt gut malen.” Kurzum – ich bin kein guter Ersatz.

Auch baue ich keine richtigen Höhlen, bin als Frau Martin nur mässig geeignet, weil meine Pferdekenntnisse zu wünschen übrig lassen und meine Suppe schmeckt nicht wie die im Kindergarten. Da kann ich so viele Kreidebilder malen und so viele Behelfsmasken für die Kuscheltiere nähen, wie ich will. Ich bin nicht der Kindergarten. Seit über fünf Wochen bin ich das nicht und ich werde auch nicht besser. Ich bin keine Horde Kinder, die lachend gemeinsam durch die Gänge rennt, ich bin nicht mal eine Freundin, die stundenlang “Ich bin frei” singt.

Homeoffice mit Kindern – the easy, peasy way!

Es ist das Ende der fünften Woche, als die Bundesregierung für Eltern von Kindergartenkindern genau KEINE Hoffnungen macht. Kindergärten bleiben bis auf Weiteres geschlossen. Keine Diskussion, weiter zum

nächsten Thema. Autohäuser, ja die brauche man, das muss man schon verstehen, die Wirtschaft. Aber Kindergärten? Die Eltern machen das schon. Da muss man Verständnis haben, die Virenschleudern, die kleinen Biester, gehören die nicht eigentlich eh zu Mama? Und Mama, ja die ist endlich wieder dort, wo sie hingehört, an Heim und Herd. Schöne, heile Corona-Welt. Danke für Nichts. Ich bin frustriert und das wird man diesem Text auch anmerken, aber ich entschuldige mich nicht dafür. Mein Frust ist das einzige, was ihr mir nicht nehmen könnt. Hah.

Heute morgen war ich einkaufen. Samstag, kurz nach acht. Ich kann endlich mal morgens einkaufen, weil der Mann dann die Kinder hütet, der arbeitet sonst so richtig im Büro mit wegfahren und allem und nicht wie ich, unterm Dach.
Nach fünf Wochen bekomme ich endlich wieder das berühmt berüchtigte Klopapier, da nimmt es der Kleinstadtbürger sehr genau. Das wird weiter fleißig gekauft, als gäbe es kein Morgen. Auch Mehl, oh Wunder, morgens um acht zu bekommen. Ich ahne, wann Hamster so ihre Runde drehen..

Was ich hingegen bei rund 30 Kunden, die durch den Laden drängen und sich an mir vorbei quetschen, um ja schnell genug an der Theke mit dem Grillfleisch zu sein, vermisse? Na ratet mal. Masken? Fehlanzeige. Abstand? Man muss ja nicht gleich übertreiben. Diese jungen Leute immer mit ihrem Getue… Mann solle nicht die Generationen gegeneinander aufhetzen und die Alten einsperren, damit die Jungen sich in Parks vergnügen könnten, lese ich in Nachrichtenspalten. Hier, fühlt es sich genau andersrum an. Die Alten vergnügen sich, die Kinder werden weggesperrt. Alles in Butter. Und der passende Spargel liegt auch im Regal.

No children, no cry!


Die Kinder, deren Rechte und Interessen in diesem Land ja bereits ab Betreten des Kreißsaals mitunter mit Füßen getreten werden, sollen schon wieder zurück stecken. Und mit ihnen deren Eltern. Die “wichtige” Rolle, für gesellschaftlichen Nachschub zu sorgen, wird – mal wieder – zum Privatvergnügen. Da hilft es auch nichts, wenn ich dazu ermahnt werde, einfach die Zeit zu genießen. Ist doch so toll zuhause. Bisschen ausspannen, mal fünf grade sein lassen, eine neue Sprache lernen… Nur, wann mach ich das? In den fünf Minuten am Tag, in denen ich mich auf dem Klo verstecke, um endlich mal einen klaren Gedanken zu fassen?

Oder vielleicht während der Videokonferenz mit den Kollegen, während ich zwei Kinder auf dem Schoss rumrutschen habe, denen langweilig ist? Und die weder zur Nachbarin, noch zur besten Freundin, noch zur Oma, noch auf den Spielplatz dürfen? Oder mache ich das, wenn ich auf dem Laufband schwitze, weil ich in den letzten Wochen Unmengen an Frustschokolade gefuttert habe? Kleiner Spaß, ich schaff es natürlich nicht aufs Laufband. Selbstoptimierung ist etwas für Menschen ohne kleine Kinder.

Endlich ist Mama wieder dort, wo sie hingehört.

Ihr erinnert euch sicherlich auch noch. Das war vor diesem Corona, da hieß es, Mama solle ja nicht zu lange in Elternzeit gehen. Wichtige Arbeitskräfte seien diese Mütter, auf die könne die Wirtschaft nicht so lange verzichten. Das war damals, als es noch eine Wirtschaft gab. Ich bin gespannt, wie viele Familien sich demnächst dann in den Autohäusern tummeln, um ihre Reichtümer unter die Leute zu bringen… ach Moment, vielleicht, vielleicht ist da ja irgendwo eine Denklücke?

Ich weiß es nicht. Ich habe keine Kraft mehr mich aufzuregen. Wenn ihr mich sucht, ich nähe und bastel und lerne mit der Großen das Alphabet und galoppiere durchs Haus und Sonntags gibt es Kuchen. Das mit dem Arbeiten war doch eh eine Schnapsidee…. und überhaupt Kinder brauchen ihre Mütter. In den Kommentarspalten lese ich davon, dass Kinder nun endlich wieder mit lachenden Gesichtern herumlaufen würden, weil sie nicht mehr in der bösen, bösen “Fremdbetreuung” seien. Die Konservativen des Landes, sie scheinen gerade die Zeit ihres Lebens zu haben. Und ich? Ich überlege, in welches Land ich wohl auswandern sollte… wenn ich am Ende von alldem noch Geld übrig habe.

Immerhin ein Gutes hat das alles. Ich kann endlich wieder bloggen und schreiben. Denn falls ihr euch gewundert haben solltet, dass hier so lange nichts passiert ist. Ich konnte nicht. Wegen meiner Depressionen. Aber das ist eine andere Geschichte. Davon erzähle ich euch beim nächsten Mal.

Bleibt gesund und werdet nicht verrückt, immerhin, wir sind nicht allein!

Love, Sonja

8 Comments

  1. Ich bin ganz bei dir! Sitze mit 3 Kindern zwischen 1 und 5 brav zuhause in der Quarantäne. Aber ich habe Glück im Unglück, mein Job als Apothekerin ist ja auf mal systemrelevant und so gehen die Kinder ab nächster Woche während meiner Arbeitszeit in den Kindergarten. Zumindest 2 von 3. Auf Nr. 1 muss leider weiterhin die Oma aufpassen. Und wenn ich von der Arbeit komme, geht’s direkt die Kids wieder abholen.
    Trotzdem… ich jammere auf hohem Niveau, immerhin bleibt mir Homeoffice mit Kindern erspart.
    Ich wünsche dir und euch viel Kraft für die nächste Zeit! Diese Perspektivlosigkeit macht einen fertig… Wer weiß schon, wann man jemals wieder Zeit zum Durchschnaufen hat. Ich denke mal, dass vorher einige Mütter vor dem Burnout stehen.
    LG unbekannterweise!

  2. Sehr kritisch geschrieben-was sicher nicht jedem gefällt. Aber du sprichst damit endlich mal Dinge an, die sich andere vielleicht still trauen zu denken, aber nicht auszusprechen. Und du sprichst mir so aus der Seele.
    Schicke dir hiermit ein wenig Kraft für‘s Durchhalten.

    1. Danke Daniela, das wünsche ich dir auch. Ich schreibe auch für alle anderen, die nicht die Kraft dazu haben. Wir durften heute in die Notbetreuung. Das ist für uns eine riesige Erleichterung. Aber es braucht Lösungen für alle Kinder.

  3. Liebe Sonja, ich bin ganz bei dir. Ich konnte einige Zeit mit aber jetzt wo es Lockerungen gibt und die Kinder schon mal einfach komplett unter den Tisch fallen, als wenn es sie nicht gäbe, kriege ich einen ganz schönen Hals. Die Kinder und Jugendlichen sind auch die, deren Zukunft gerade (noch mehr) an die Wand gefahren wird. Man bedenke nur wieviel Schulden da gerade gemacht werden und wie die Wirtschaft gecrasht wird. Mich betrifft es „nur“ als Oma, aber auch das ist hart genug. Die Frage ist, ob die Regierenden später wirklich um Verzeihung bitten für das was sie angerichtet haben? Und klar ist es so, dass es für die einen einfacher ist als für die anderen. Allerdings kenne ich irgendwie niemand, wo es wirklich leichter ist. Kinder über Wochen und Monate von ihren Freunden trennen, einsperren und nicht draußen spielen lassen usw. das ist schon nochmal eine ganz andere Hausnummer. Und da spricht einfach gar nichts dafür, dass das immer noch nötig ist. Ich ziehe den Hut vor deinen Worten und hoffe, dass immer mehr aufwachen und auf die Barrikaden gehen. Nur zusammen kann man was bewirken.

  4. Wahre Worte und auch nicht übertrieben (leider 😦 ) Spricht auch mir als Vater von 3 Kleinkindern aus der Seele!

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